Die große Zensur: Wenn Lieder zum Feindbild werden
Was haben Kinderlieder, Weihnachtsklassiker und Rockhymnen gemeinsam? Ganz einfach: Sie stehen plötzlich alle unter Verdacht, moralisch fragwürdig, politisch inkorrekt oder schlichtweg „unangemessen“ zu sein. Es scheint, als wäre der Musikgeschichte ein regelrechter Tribunal-Prozess aufgebrummt worden. Doch ist das wirklich nötig? Oder sind wir mittlerweile dabei, die Kunst durch die Brille einer hypersensiblen Weltanschauung zu zerstören?
Die neue Prüderie: Cancel Culture trifft auf Musikgeschichte
Es begann harmlos mit Diskussionen um einzelne Lieder, die als nicht mehr zeitgemäß galten. Doch inzwischen scheint kein Genre, keine Ära und keine Intention mehr sicher. Ob Satire, Kunst oder einfache Albernheit – alles wird analysiert, seziert und, wenn nötig, verbannt. Aber warum? Ist unsere Gesellschaft wirklich so fragil geworden, dass wir alte Lieder nur noch mit erhobenem Zeigefinger betrachten können?
Weihnachtslieder im Kreuzfeuer
Nichts ist mehr heilig, nicht einmal Weihnachten. „Do They Know It’s Christmas?“ von Band Aid war einst ein globaler Hit, der Millionen für wohltätige Zwecke sammelte. Doch jetzt wird dem Lied vorgeworfen, ein stereotypisches und eurozentrisches Bild von Afrika zu zeichnen. Die Zeile „There won’t be snow in Africa this Christmas time“? Ja, stimmt – in den Tropen schneit es selten. Aber der eigentliche Kern des Songs war doch Solidarität und Nächstenliebe, nicht Geografieunterricht!
Und dann wäre da noch „Baby It’s Cold Outside“. Dieser Weihnachtsklassiker wird inzwischen in manchen Radiosendern nicht mehr gespielt, weil er angeblich eine „nicht mehr zeitgemäße Botschaft“ vermittelt. Ernsthaft? Es geht um einen harmlosen Flirt, der plötzlich als Anleitung zur Manipulation gesehen wird. Haben wir wirklich keine größeren Sorgen?
Kinderlieder: Unschuld war gestern
Sogar die Lieder, die wir alle im Kindergarten gesungen haben, stehen auf der schwarzen Liste. Hier ein paar „Highlights“:
„Drei Chinesen mit dem Kontrabass“
Dieses harmlose Lied, bei dem die Vokale ausgetauscht werden, wird nun als rassistisch abgestempelt, weil es angeblich die chinesische Sprache ins Lächerliche zieht. Aber mal ehrlich: Hat jemals ein Kind, das dieses Lied gesungen hat, dabei an Diskriminierung gedacht? Wahrscheinlich nicht.
„C-A-F-F-E-E“
Der Kaffee wird hier als „Türkentrank“ bezeichnet, und plötzlich ist das ganze Lied problematisch. Niemand scheint sich zu fragen, ob es nicht eher darum ging, Kinder davon abzuhalten, Kaffee zu trinken, statt über die Herkunft des Getränks zu urteilen.
„Zehn kleine Negerlein“
Ja, dieses Lied ist definitiv problematisch und hat in seiner Originalform keinen Platz mehr in Kinderzimmern. Aber: Brauchen wir wirklich eine Diskussion darüber, dass Kinderlieder heutzutage angepasst werden können, ohne dabei eine nationale Krise auszulösen?
Rock und Pop: Satire unerwünscht
Die Kritik macht auch vor großen Klassikern der Musikgeschichte nicht Halt. Selbst Legenden wie die Rolling Stones, Udo Lindenberg oder Tom Jones werden nun mit moralischen Maßstäben gemessen, die sie zur Zeit der Entstehung ihrer Songs gar nicht kannten.
„Sonderzug nach Pankow“ von Udo Lindenberg
Hier wird der Begriff „Oberindianer“ plötzlich als diskriminierend empfunden. Aber war das nicht eine satirische Anspielung auf die DDR-Führung? Muss Satire jetzt auch zensiert werden, weil sie nicht jedem gefällt? Satire lebt doch davon, überspitzt zu sein!
„Brown Sugar“ von den Rolling Stones
Die Rolling Stones haben ihren Song selbst von der Setlist gestrichen, weil er sich mit Sklaverei und Rassismus auseinandersetzt. Doch statt die Diskussion darüber zu fördern, wie solche Themen in der Kunst verarbeitet werden können, wird der Song einfach ausradiert. Ein mutiger Schritt? Vielleicht. Aber ein Verlust für die Diskussion? Definitiv.
„Fat Bottomed Girls“ von Queen
Ein Song, der Frauen mit Kurven feiert, wird als beleidigend gegenüber Menschen mit Übergewicht ausgelegt. Wo endet das? Müssen wir bald Songs verbieten, die dünne Frauen besingen, weil sie andere ausschließen könnten?
Die Ironie der Empörung
Während einige dieser Diskussionen tatsächlich auf problematische Aspekte hinweisen, muss man sich doch fragen: Haben wir nichts Besseres zu tun? Die Lieder der Vergangenheit spiegeln den Zeitgeist wider, nicht unsere heutige Realität. Sie zu analysieren und zu hinterfragen, ist wichtig. Aber sie zu verbannen oder umzuschreiben, vernichtet doch auch ein Stück kultureller Geschichte.
Außerdem sorgt die übertriebene Empörung oft dafür, dass die betreffenden Songs plötzlich mehr Aufmerksamkeit bekommen als je zuvor. „Brown Sugar“ und „Baby It’s Cold Outside“ erleben wahrscheinlich mehr Streams als vor der Kritik. Das Ziel, diese Songs in Vergessenheit geraten zu lassen, wird dadurch ins Gegenteil verkehrt.
Fazit: Lasst die Musik Musik sein
Kunst ist nicht immer bequem, nicht immer perfekt und nicht immer harmlos. Aber genau das macht sie aus. Statt alles zu zensieren, könnten wir die Diskussion darüber fördern, was uns diese Lieder über ihre Zeit, ihre Entstehung und ihre Botschaft sagen wollen. Doch dafür müssten wir sie erstmal hören dürfen.
Also: Dreht eure Lieblingssongs auf, genießt die Musik und denkt daran, dass Kunst nicht immer politisch korrekt sein muss, um uns zu berühren.



Post Comment