Die Kraken kommen? Warum die Idee einer Oktopus-Herrschaft nicht so clever ist, wie sie klingt
Manchmal stößt man auf Artikel, die einem ein Lächeln ins Gesicht zaubern – und nicht unbedingt aus Bewunderung. Kürzlich bin ich über einen Bericht bei Focus Online gestoßen, der Oktopusse als potenzielle Herrscher der Erde nach dem Aussterben der Menschheit vorstellt. Das klingt erstmal spannend, fast wie der Trailer zu einer dystopischen Sci-Fi-Serie: „Nach dem Menschen kommen die Kraken!“ Aber Moment mal – ist das wirklich so durchdacht, wie es klingt? Spoiler: Nein.
Warum Oktopusse? Weil sie schlau sind. Punkt.
Im Artikel wird die Intelligenz der Oktopusse als Hauptargument angeführt. Und ja, die kleinen Tentakeltiere haben einiges auf dem Kasten: Sie lösen komplexe Probleme, öffnen Schraubgläser und nutzen Werkzeuge. Das ist beeindruckend – keine Frage. Aber daraus gleich abzuleiten, dass sie eines Tages Städte bauen und die Erde regieren könnten, ist, gelinde gesagt, ein bisschen weit hergeholt.
Oktopusse sind schlau, aber sie sind auch notorische Einzelgänger. Eine Zivilisation aufzubauen erfordert mehr als nur Köpfchen – es braucht soziale Strukturen, Zusammenarbeit und langfristiges Denken. Und genau hier liegt das Problem: Oktopusse interessieren sich einen feuchten Tintenfisch für Teamwork. Sie kümmern sich nicht mal um ihre eigenen Nachkommen! Wie soll aus dieser Einstellung jemals eine funktionierende Gesellschaft entstehen? Ein Kraken-Bürgermeister, der sagt: „Macht euren Mist alleine“? Klingt eher nach Anarchie als nach Herrschaft.
Die DNA-Theorie: Wissenschaft oder Sci-Fi?
Ein weiteres „Argument“: Oktopusse könnten Aliens sein, weil sie ihre DNA verändern können. Klingt fancy, aber die Wissenschaft dahinter ist deutlich weniger spektakulär. Ja, sie haben eine außergewöhnliche Fähigkeit zur RNA-Editierung, die es ihnen erlaubt, sich an ihre Umwelt anzupassen. Das macht sie zu Überlebenskünstlern – aber nicht zu Weltraumtouristen, die mit gefrorenen Eiern auf Meteoriten eingereist sind.
Die Idee, dass Oktopusse außerirdischen Ursprungs sind, ist reine Spekulation, die mit wissenschaftlichen Fakten wenig zu tun hat. Sie ist faszinierend, klar, aber genauso könnte man behaupten, dass Katzen von einem anderen Planeten stammen, weil sie so mysteriös sind.
Was der Artikel nicht versteht: Intelligenz reicht nicht
Es gibt einen großen Unterschied zwischen clever sein und dominieren. Die menschliche Herrschaft über die Erde basiert nicht nur auf Intelligenz, sondern auf Kultur, Sprache, Technologie und – so sehr wir es manchmal hassen – sozialem Zusammenhalt. Oktopusse haben nichts davon. Sie sind exzellente Überlebenskünstler, keine Organisatoren.
Die Vorstellung, dass sie irgendwann „taucherähnliche Atemgeräte“ entwickeln könnten, ist einfach albern. Nicht, weil Evolution nicht zu solchen Anpassungen führen könnte, sondern weil sie keinerlei Motivation hätten, dies zu tun. Warum sollte ein Oktopus, der mit seinem Leben im Meer völlig zufrieden ist, plötzlich anfangen, Land zu erobern? Das ist eine Projektion menschlichen Denkens auf eine Spezies, die völlig anders funktioniert.
Die wahre Krone der Evolution? Überlebensfähigkeit
Wenn wir wirklich darüber sprechen, wer die Erde nach uns übernehmen könnte, sollten wir weniger auf Intelligenz und mehr auf Anpassungsfähigkeit schauen. Kakerlaken, Bakterien oder vielleicht Ameisen haben wesentlich bessere Chancen, weil sie bereits heute nahezu überall leben und über extreme Umweltbedingungen triumphieren. Sie brauchen keine Hightech-Werkzeuge oder Städte – sie überleben einfach. Und darum geht es bei der Evolution.
Oktopusse sind faszinierend, keine Frage. Aber sie sind keine heimlichen Herrscher im Wartestand. Sie sind Genies der Anpassung, ja, aber keine Architekten einer neuen Weltordnung.
Fazit: Spannende Idee, aber ziemlich naiv
Die Vorstellung, dass Oktopusse nach dem Aussterben der Menschheit die Erde übernehmen, ist mehr Unterhaltung als Wissenschaft. Es zeigt vor allem, wie gerne wir Menschen uns Geschichten erzählen, in denen wir durch „intelligente“ Nachfolger ersetzt werden. Aber die Realität ist komplexer – und weniger glamourös. Wahrscheinlich wird die Erde ohne uns einfach wieder das tun, was sie immer getan hat: Sich anpassen, neu ordnen und weiterleben. Und vielleicht schwimmt irgendwo ein Oktopus durch die Tiefen des Meeres, ohne jemals zu ahnen, dass wir ihn als unseren Nachfolger auserkoren haben



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